Ein riesiger Schäferhund hechelt vor meinem Gesicht. Zerknirscht und verschlafen vernehme ich ein verschwommenes „ihr Flugticket bitte“ im nasalierten Norddeutsch. Am Vorabend mit dem Rad nach Bremen gefahren und vom Januarunwetter erwischt muss ich mit meinen Gepäckmengen einen verdächtigen Eindruck auf das Flughafensicherheitspersonal gemacht haben. Nun ist es drei Uhr und weiterschlafen sinnlos, so dass ich mich für die Abfertigung des frühen Fluges bereit mache. Am Schalter die übliche Mär vom explodierenden Fahrradreifen im Flieger, da ich die Luft am Rad nicht abgelassen habe (ein unausrottbarer Mythos). Beim Landeanflug in Marrakesch strömender Regen und gerade so zweistellige Temperaturen. Ich finde, nach einem vierstündigen Flug in den Süden darf man mehr erwarten! So lasse ich mir Zeit und baue ganz in Ruhe mein Rad zusammen. Tatsächlich ist es beim Start tropffrei und ich stürze mich ins Abenteuer. Auf der stark befahrenen Straße vom Flughafen ins Zentrum Marrakeschs hat die Drainage versagt und so gibt es riesige Pfützen über die ganze Straßenbreite. Ich bin etwas benebelt von den vielen ersten Eindrücken: Orangenbaumalleen und Kakteen, überall tuckernde Mopeds, grimmige Männer in Kapuzenkleidern, Eselskarren werden von alten rostigen Mercedes-Taxen überholt, zwei tote Hunde liegen in einer Pfütze. In Marrakesch erledige ich ein paar Besorgungen und versuche dabei die großen Dirham-Scheine loszuwerden, die mir der Gelduatomat ausgespuckt hat. Mittlerweile regnet es wieder und ich weiß nicht so recht, ob ich die Nacht noch hier im Hotel verbringen soll. Doch dann verlasse ich Marrakesch Richtung Süden. Wie schon in der Stadt hält man an einer Tankstelle gar nichts von meiner Idee, über den gut 2500 m hohen Tizi-n-Test-Pass zu fahren. In den letzten Tagen hätte es im Atlas kräftig geschneit und dieser Pass sei gesperrt. So entschließe ich mich kuzerhand den Tizi-n-Tichka, einen niedrigeren Pass weiter östlich zu nehmen, in der Hoffnung, dass dieser als Nationalstraße Priorität beim Schneeräumen hat. Den ganzen restlichen Tag peitscht mir der Regen ins Gesicht, dann verpasse ich auch noch einen Abzweig und fahre dadurch einen riesigen Umweg und so bin fast schon wütend, dass mir das alles gleich am ersten Tag passieren muss.
Am nächsten Morgen muss ich feststellen, dass es nur weniger Kilometer weiter in Ait-Ourir mehrere einfache Hotels gab, so dass ich auf das nasskalte Zelten hätte verzichten können. Kurz darauf viele parkende LKWs. Das verheißt nichts Gutes und so erblicke ich in Touama den geschlossenen Schlagbaum, der Tichka ist also auch gesperrt. Wenn man bedenkt, dass jeden Winter zumindest zeitweise ein ganzer Landesteil durch das langgestreckte Atlasgebirge abgeschnitten ist, sind meine Probleme eher unbedeutend. So setzte ich mich erstmal in ein Restaurant, bestelle mir ein Omlett und stark gezuckerten Minztee, schreibe Tagebuch. Endlich kommt etwas Marokko-Stimmung auf, nachdem ich gestern eher durchgerauscht bin und mich noch nicht so recht traute, anzuhalten oder jemanden anzusprechen. Nachmittags kommt sogar die Sonne raus und ich fahre nochmal vor zum Schlagbaum, trinke einen Tee mit den Aufpassern, bis mich plötzlich Le Chef nach viel Bitten schnell durchwinkt. Ich nutze die Gelegenheit, höre noch die Protestrufe vom anderen, doch da bin ich schon weg. Leider ging heute mein kleines Objetiv kaputt, so dass ich die restliche Reise nur noch mit dem Telezoom fotografieren konnte. Schon nach wenigen hundert Höhenmetern liegt tatsächlich Schnee, doch die Straße ist geräumt. Ich verbringe eine sternenklare und bitterkalte Nacht bei Tazouguerte.
In der Nacht fror das über die Straße laufende Schmelzwasser zu einer spiegelglatten Oberfläche, so dass ich bis Taddart praktisch nur laufend und rutschend kam. Unterwegs traf ich beim Pausieren einen völlig zerzausten Mann mit auseinanderfallenden Schuhen, den ich gestern schon gesehen hatte - er muss die ganze Nacht durchgelaufen sein. Ich bot ihm Schokolade und Brot an, doch er lehnte ab und kaute weiter auf alten Orangenschalen. Der Ort Taddert (1650 m) liegt vor dem eigentlichen Tichka-Pass und war mit wartenden LKWs zugeparkt. Nach ein paar Besorgungen und stärkendem Tee nutze ich das gute Wetter und fuhr durch den Schneematsch, vorbei an zahlreichen Mineralienhändlern und liegengebliebenen Wohnmobilen, auf die 2260 m hohe Passhöhe. Die aufdringlichen Händler hier oben ließen mir keine Ruhe beim Betrachten der grandiosen Berglandschaft. Ein Vorteil des geschlossenen Passes war der kaum vorhandene Verkehr. Überraschenderweise gab es auf der anderen Passseite kaum Schnee und so rauschte ich die kleine Straße nach Telouèt hinunter. Zwar musste ich mehrmals „Straßensperren“ bettelnder Kinder durchbrechen und einige Schneewehen durchstapfen, aber dieser weite offene Landschaftstyp mit der riesigen Atlasbergkette im Hintergrund gefiel mir sehr gut. Hinter dem sehenswerten Telouèt beseitigte ein Schneeschieber eine sehr hohe Verwehung, indem er mehrmals mit Anlauf und Vollgas in diese hineinfuhr.
Ich räume mein Lager in dieser einzigartigen Erosionslandschaft. Der Eindruck, dass Marokko praktisch nur als Lehm zu bestehen scheint, bliebt bis zum Ende der Reise bestätigt und so ist es auch nicht verwunderlich, dass dieser Stoff hier schon seit langem zum Häuserbau genutzt wird. In Amenitèr beginnt eine gut 35 km lange, sehr steinige und schlammige Piste durch eine atemberaubend schöne Landschaft. Mit jedem Kilometer wird mein Rad schwerer. Immer wieder muss mühsam der Lehm entfernt werden. Trotz der scheinbaren Abgeschiedenheit gibt es viele bettelnde Kinder, die noch ewig hinterherlaufen. Im Frühjahr muss es hier also wesentlich mehr Touristen geben, denn der Zusammenhang von Bettelei und Tourismus ist evident. Manchmal mache ich meinen „Brottest“: Ich biete bettelnden Kindern das in ganz Marokko günstige und subventionierte Brot an. Oft wollen die aber sowas nicht haben, sondern verlangen nach „Cigarette“, „Bonbon“, „l'Argent“ (Geld) und vor allem „Stylo“ (Kugelschreiber). Ich treffe auf ein Grüppchen radreisender Spanier, einer mit gebrochenem Schaltauge - kein angenehmer Defekt in dieser Gegend. Die Umgebung wird immer trockener, das Tal zum tief eingeschnittenen Canyon und ich bin über den schnellen Übergang in diese aride Landschaft überrascht. Etwas überspitzt könnte man sagen, die Sahara beginnt direkt südlich des Atlas.
Mich erfreuen die steigenden Temperaturen und der dritte Sonnentag in Folge (was auch bis zur Atlasquerung bei der Rückreise so bleibt) und lassen den feucht-kalten Start schnell vergessen. Im Tal wird intensiv Flussoasenlandwirtschaft betrieben, während an den kargen Berghängen Schäfer über ihre Herden wachen. Man versucht durch Bewässerungskanäle und Terrassierung jedes Fleckchen zu nutzen. Im unteren Ounila-Tal blühen die ersten Mandelbäume, ein paar mal muss der Fluss gefurtet werden, bis in Tamdaght die grünen Gärten abrupt enden und eine dankbar angenommene Asphaltstraße mich nach Ait-Benhaddou bringt. Ait-Benhaddou ist eine befestigte Lehmstadt (Kasbah) und herrlich am Berghang gelegen. Das sahen anscheinend auch einige Hollywood-Regisseure so und verzierten es für Bibelverfilmungen mit Styropor-Kulissen, die heute immer noch dort stehen. In den Abendstunden war es nur wenig touristisch und man konnte in Ruhe die beeindruckende Kasbah besichtigen.
Ich stehe sehr früh auf um heute mal wieder ein paar Kilometer zu machen. Die N10 führt duch eine etwas öde Steinlandschaft. Bei Bou-Ktir steht am Straßenrand eine absurde amerikanische Tankstelle. Neben den Hinweis „Next Stop 200 Miles“ verspricht mir ein anderes Schild "Cold Beer". Doch es ist nur eine materielle Fata-Morgana, eine weitere Filmkulisse für einen amerikanischen B-Movie, den man nicht gesehen haben muss. Die nahen Atlas-Filmstudios in Ouarzazate lassen grüßen. Ich werde in Anezal zum Tee eingeladen. Ein gewisser Hamid will mir meinen Wunsch nach günstigem Arganöl in Tazenakht erfüllen und so treffen wir uns zwei Stunden später bei Tee und Omlett in seinem Geschäft. Doch statt Arganöl werden mir Teppiche im Hinterzimmer präsentiert. Nach wiederholtem Nachfragen wird mir allmählich klar, dass Hamid kein Arganöl hat und ich auf seine billige Teppichhändlermasche reingefallen bin. Vom harmlosen Anschauen („guck, das ist mein Geschäft“) über freundliches Lächeln („nur ansehen, nichts kaufen“) bis hin zum Beleidigtsein und moralischer Zange (habe schließlich seine Gastfreunschaft angenommen) war es trotzdem eine sehr interessante Erfahrung. Ich kann nur hoffen, dass auch Hamid verstand, warum ich keinen 3-4 kg schweren Teppich haben wollte.
Ich folge der sich schlängelnden Straße R111 durch Dattelpalmoasen und treffe mittags in Forum-Zguid ein. Hier kaufe ich Proviant und Wasser für meine dreitägige Wüstentour nach Mhamid und tausche meinen alten Pullover gegen ein hübsches Kamelmilchkännchen - ein für beide Seiten anscheinend zufriedenstellendes Geschäft. Am Ortrand befindet sich das nüchterne Hinweisschild und zeigt geradewegs in die Hammada, die Steinwüste. Schon oft vor der Reise habe ich sehnsüchtig diese geheimnisvolle gestrichelte Linie mit dem Finger auf der Karte abgefahren und nun war ich wirklich hier. Der erste Abschnitt sieht der Marsoberfläche nicht unähnlich aus und mehr als doppelte Schrittgeschwindigkeit ist wegen der vielen Steine nicht drin. Gelegentlich trifft man auf parallele Mopedspuren, die sich wesentlich besser fahren lassen als die Waschbrettpiste. Am Abend kommt in der Ferne ein Sandsturm auf und ich beschließe deshalb schnell zu kampieren, auch wenn später die gelbe Wand verschwindet und der Wind sich legt.
In aller Frühe fahre ich weiter, immer auf einen Tafelberg zu; im Hintergrund eine Bergkette, die schon zu Algerien gehören könnte, aber der Grenzverlauf ist umstritten. Nach einer Biegung wird es sandiger und ich erreiche den Militärposten am ausgetrockneten Iriki-See. Ein freundlicher, fast schon geschwätziger Militär in Badeschlappen aber mit Uniform will meinen Pass sehen und ich darf alles in ein Buch schreiben. Dort sehe ich auch, dass der letzte Eintrag vor fünf Tagen war - also ein wirklich einsamer Job hier draußen. Danach wird die Piste breit und führt schnurrgerade über den See nach Zaouia-Sidi-Abd-en-Nebi, der einzigen Siedlung hier in der Wüste. Es war faszinierend zu sehen, wie die Bewohner mit etwas Grundwasser blühnende Oasengärten schufen. Ein junger Berber betrieb am Ortsrand eine kleine Zeltunterkunft, wo ich nach einer sehr guten Tajine und reichlich Tee („Whiskey marocain“) nächtigte. Zuvor gab es noch ein kurzes Fußballspiel mit der Dorfjugend und zum Tagesausklang heimische Musik vom örtlichen Oud-Spieler. Diese Menschen, die übrigens alle untereinander verwandt waren, machten trotz ihres bescheidenen Lebens einen glücklichen Eindruck. Zumindest wirkten sie zufriedener als mancher marokkanischer Stadtbewohner.
Hinter Sidi wird es nochmal richtig steinig. Hier und da ein Berberzelt am Wegesrand. In der Ferne erhebt sich die riesige Sanddüne Chegaga. Ein Hirtenhund hält mich plötzlich auf Trapp und ich finde Bestätigung in meiner weltweit gültigen Annahme, dass Hunde Radfahrer hassen (und umgekehrt). Kurz vor der Heiligen Oase (alternative Landwirtschaftskommune) treffe ich auf neben ihren Landrover rastende Marokkaner, das erste Fahrzeug seit 100 km und 2 Tagen. Ich werde zum Tee eingeladen (bei Marokkanern scheint immer irgendwo heißes Teewasser zu blubbern) und muss von meiner ganzen bisherigen Reise berichten. Ich werde auch gefragt, ob ich Meteoriten gesammelt hätte, dass sei hier in der Wüste gut möglich und brächte bis zu 1000 US$ pro Gramm. Ich passiere die ersten sandigen Stellen - die Piste verliert sich in viele Nebenspuren und ich muss ohne GPS-Gerät mich an den Bergketten orientieren. Überall liegen Fossilien herum und ich nehme ein paar schöne Exemplare mit. Kurz vor Mhamid wird es nochmal richtig sandig und ich muss kilometerlang schieben. Als ich das ausgetrocknete Flussbett des Oued Drâa erreiche, sind am Horizont die ersten Häuer von Mhamid zu sehen.
In Mhamid werde ich von einem Restaurantbesitzer eingeladen und kann von der Terrasse das bunte Treiben beobachten, wenn neu ankommende Touristen von dutzenden Wüstensafarianbietern laut und hektisch umworben werden. Auf meine dezente Frage, warum man sich die Touristen nicht untereinander aufteilt anstatt sie so zu belästigen, sagt der Inhaber, das habe man probiert, aber es hat nicht lange funktioniert. Wir haben uns dann noch lange über Marokko, den König Mohammed VI., den Westsahara-Konflik und andere in meinem Reiseführer als zu vermeiden aufgeführte Gesprächsthemen unterhalten. So wurde es Spätnachmittag und ich verabschiedete mich herzlich um doch noch ein paar Kilometerchen zu radeln. Ein halbes Dutzend Postkarten wurden mit der Nachricht verschickt, dass ich nach zehn Tagen bisher noch nicht vom muselmanischen Krummdolch aufgeschlitzt wurde (so die Befürchtung daheim).
Bei Tagounite werde ich morgens von einem ebenso erstaunten Vermessungsteam geweckt. Alle wollen ein Handyfoto mit mir machen und so dauert es, bis ich losfahren darf. Bis Zagora ist es weitestgehend unspektakulär und die einzige Hauptsehenswürdigkeit der Stadt selbst besteht aus einem buntbemalten Schild mit der Aufschrift "52 Tage bis Timbuktu", welches anscheinend bei sämtlichen Händlern, die etwas mit dem Tourismus zu tun haben, in Form aller nur möglichen Kopien sehr beliebt ist. An einem „Kamelparkplatz“ hielt ich an und dachte an Canettis treffende Beobachtung dieser Geschöpfe: „Sie erinnerten an alte englische Damen, die würdevoll und scheinbar gelangweilt den Tee zusammen einnehmen, aber die Bosheit, mit der sie alles um sich herum betrachten, nicht ganz verbergen können“ (Elias Canetti, Die Stimmen von Marrakesch). Hinter Zagora ist die Straße relativ stark befahren, führt aber an vielen interessanten Kasbahs und Ksour (alte Lehmdörfer) vorbei. Im ganzen Drâatal wird intensiv Dattelpalmwirtschaft betrieben und verbraucht das ganze Flusswasser, so dass in der Wüste bei Mhamid nichts mehr ankommt. Ich erwerbe eine Packung Datteln und stelle wenige hundert Meter beim nächsten Straßenhändler fest, dass ich am Stand zuvor kräftig übers Ohr gehauen wurde. Noch schlimmer: Am nächsten Morgen ist mir richtig übel und ich stelle alle möglichen Theorien über in der Sonne liegende Dattelverpackungen auf. So erreiche ich etwas blass Ouarzazate, nachdem ich kilometerlang durch eine vermüllte Landschaft fuhr.
Ouarzazate ist eine wichtige Provinzstadt im Disney-Kasbah-Stil mit nur wenig wirklich alter Bausubstanz. Hier entschied ich mich bei einer Teepause einen kleinen Schlenker durchs Atlasgebirge zu machen und nicht direkt nach Demnate zu fahren. So ging es die relativ unspektakuläre Route bis Skoura entlang - hier und da war ein nettes Kasbah zu sehen. Ausgerechnet am Abend fuhr ich hinter Skoura in eine kilometerweit einsichtige Ebene, aber in diesen Breiten wird es schnell dunkel, so dass mir nichts anderes zum Campen übrig blieb.
Kurz vor Tamezrit gab es plötzlich sehr dichten Schneefall und ich beschloss mein Zelt aufzubauen. Zwar hörte der Schneefall nach ein paar Stunden auf, aber es wurde immer stürmiger. Es riss meine Heringe raus und ich lag stundenlang nachts in einer flatternden Zelthülle. Wäre ich aufgestanden, hätte es mein Zelt weggeweht. Nach diesem Erlebnis wollte ich eigentlich umkehren, versuchte es aber noch ein paar Kilometer bis Tamezrit, wo man mich wie einen Außerirdischen beglotzte. Dutzende Kinder halfen mir beim anstrengenden Schieben durch den dicken Schnee. Kurz hinter Tamezrit traf ich auf zwei Marokkaner, die auch nach Amezri wollten und mir beim Gepäcktragen halfen, wofür ich sie später entlohnte. Nach jeder Kurve wähnte ich mich schon auf der Passhöhe, doch die Steigung wollte nicht aufhören. Hätte ich gewusst, dass es auf über 2800 m geht, wäre ich umgekehrt. Teilweise war die Piste im Schnee nicht mehr erkennbar und wir trugen Rad getrennt vom Gepäck auf direktem Weg den Berg hoch, wobei viel geklettert werden musste. Leider brach einer meiner Klickpedalschuhe an der Sohle und ich verlor die Pedalplatte, so dass ich mit einem Loch im Schuh durch den Schnee stapfte! Der Abstieg nach Amezri war wegen hüfthoher Schneewehen fast noch anstrengender als die Schlepperei hochzu. Said, einer meiner Helfer, lud mich nach diesem anstrendenden Tag zum Essen und Schlafen in sein Haus ein, wo ich von neun neugierigen Kindern belagert wurde.
Wir nahmen eine kleine Stärkung zu uns, während die restliche Familie um uns herumsaß und dem Fremden beim Essen zuschaute. Die Oma saß am Rand und bediente einen riesigen Blasebalg für ein offenes Holzkohlefeuer. Ich reichte Datteln und Mandeln herum und zeigte einer Postkarte aus Hamburg, was mit großem Interesse aufgenommen wurde. In der Familie und auch im ganzen Dorf gab es keinen, der mehr als ein Dutzend französische Wörter konnte. So beschränkte sich die Unterhaltung auf Handzeichen und lustige Tierlaute (auf meine Frage, won welchem Tier der Frischkäse stamme). Am Abend wurde eine köstliche Hühnchen-Tajine aufgetischt, doch hielt ich mich beim Essen zurück - wollte ja der elfköpfigen Familie nichts wegessen. Da war auch schon das Nachtlager in einen Nebenraum hergerichtet und Said bestand darauf, dass ich in seinem Haus übernachte. Die Kinder waren natürlich den ganzen Abend aufgedreht und wollten alle mal auf dem Rad fahren. Und so war ich froh nach diesem anstrengenden Tag bald einschlummern zu können.
Wir frühstückten eine Art Grütze und ich konnte beobachten, wie jedes Kind als morgentliches Begrüßungsritual zuerst den in Decken gehüllten Großvater und dann ihren Vater Said auf die Hand küssten. Frau und Töchter sah man nur gelegentlich, sie aßen auch in einen anderen Raum. Ich verabschiedete mich von Said, dieser äußerst angenehmen und ruhigen Person und stapfte in Sandalen durch den Schnee talabwärts. Die ersten 8-10km hinter Amezri waren noch sehr beschwerlich. Ich entschied mich lieber im Tessaout-Fluss zu schieben als der Piste zu folgen. Nach und nach wurde es immer weniger Schnee und ich konnte wieder durch den Schlamm radeln. In jedem Dorf bin ich von einer Meute von aufgeregten Kindern umgeben. Entgegenkommende Frauen schleppen riesige Futterberge mit gekrümmtem Rücken. Im unteren Tal gab es teilweise Überschwemmungen über der Piste. Es folgte noch eine Nacht im Wacholderwald (durch Überweidung die einzige hier wachsende Baumart) und ich konnte mir sicher sein, Marrakesch noch rechtzeitig zu erreichen.
Nach Erreichen des Asphalts in Toufrine gings recht flott über den Outfi-Pass (2130 m), der aber glücklicherweise geräumt war. Die Strecke Demnate-Marrakesch führte durch nicht sonderlich spektakuläre Landwirtschaftsgebiete und so erreichte ich im Regen am Mittag des letzten Tages Marrakesch. Jan Cramer, Betreiber der Webseite www.marokko-per-rad.de (welche nicht unwesentlich meinen Reisewunsch verstärkte), weilte zur selben Zeit in der Stadt und wird morgen auch zurückfliegen, doch wir verpassten uns um nur fünf Minuten, wie ich seiner Nachricht im Hotel entnehmen konnte (er folgte einer Einladung).
Ich putzte meine verschlammte Hose, besichtigte die Suqviertel mit ihren verwinkelten Gassen und verfutterte die restlichen Dirhams auf den abendlichen Garküchen am Djamâa el Fna (Platz der Geköpften), so dass mir fast der Magen platzt. Es platzt auch immer mal wieder aus den Wolken und so durfte ich Marrakesch nur im Regen kennenlernen. Frühmorgens habe ich einige Schwierigkeiten den Flughafen zu finden. Dort wartet auch schon Jan und wir haben uns natürlich eine Menge zu erzählen. Für ihn ist es schon die 13. (!) Marokkoreise mit Rad gewesen und er nimmt mich dankenswerterweise in seinem in Bremen parkenden Fahrzeug nach Hamburg mit.
Meine erste Reise auf den afrikanischen Kontinent hat mir ausgesprochen gut gefallen. Besonders die Wüstentour, das Tessaout-Tal im Atlas, aber auch Marrakesch und generell die orientalische Exotik des Maghrebs hat mir zugesagt. Die Menschen sind freundlich, auch wenn immer etwas Aufmerksamkeit und nicht zu viel Gutgläubigkeit angebracht sind. Kulturell und landschaftlich hat Marokko wirklich viel zu bieten und so könnte ich mir fürs nächste Mal auch eine Trekkingtour im Hohen Atlas vorstellen. Inschallah.
- Rundreise von/nach Marrakesch in 2½ Wochen (20.1.-7.2.09)
- 1150 km (davon ca. 200 km Piste)
- tiefster Punkt: Marrakesch 453 m.ü.N.
- höchster Punkt: Tizi-n-Oualoum 2804 m.ü.N.
Diashow:
Übersicht aller Radtouren
1 Kommentar:
Sehr schöner Blog!!
Habe mal ein paar Infos :-)
Bevor Ihr Arganöl kauft, solltet ihr es vorher einmal testen. Also ob die Qualität und der Geschmack stimmen und euch zusagen.
Kostenlose Arganölproben erhält man leider so gut wie gar nicht. Ich kenne bisher einen Anbieter der sowas völlig gratis anbietet, und das ist ArganPlus.
Ich hoffe ich kann damit dem einem oder anderen etwas helfen und es freuen sich einige.
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