Regen, Sonne, RegenHinter Ballangen wird die Landschaft wieder interessanter, nachdem die Straße einige Kilometer relativ unspektakulär am Meer entlangführte. Bis Skarberget radelt man an trolligen Bergen vorbei, die man als typisch norwegisch bezeichnen könnte.

Hier ist die E6, das Rückgrat Norwegens, vom Tysfjord unterbrochen und man muss die Fähre nach Bognes nehmen. Der Verkehr ist immer noch so gering, dass anscheinend nur eine stündliche Fährverbindung ausreicht. An einem Verkehrsschild hängt ein Trockenfisch (norwegisch: Tørrfisk), den wohl eine Möwe hierher geschleppt hat. Er ist so hart wie ein Stück Holz und man könnte ihn als Cricketschläger benutzen.
Das helle Objekt am Morgenhimmel erinnerte mich irgendwie an die Sonne - und es war tatsächlich die Sonne! Allzu viel Vergnügen war mir aber nicht vergönnt und die ersten kurzen Schauer warfen mich zurück in die harte norwegische Wetterrealität. Bei Kråkmo beachtlichen Felsberg bestaunt, der sich auch im Yosemite Nationalpark in Kalifornien hätte befinden können. Es folgen ein paar Tunnel, die für Radfahrer gesperrt sind und man muss auf die alte und kaum befahrene Straße ausweichen, inklusiv einiger hundert zusätzlicher Höhenmeter. Bei Elvkroken treffe ich in aller Frühe wieder auf die E6, um ein halbes Dutzend Tunnel unbeschwert passieren zu können. Ein breites Tal öffnet sich und ich erreiche Fauske. Es ist aber noch zu früh am Morgen für den Einkauf, alle Geschäfte haben noch geschlossen. Eigentlich wollte ich nun westlich und dann die berühmte Küstenstraße RV17 (Kystriksveien) fahren, doch erschreckend viele Kilometer sind noch zu radeln und so entscheide ich mich, allen Unkenrufen zum Trotz, weiterhin auf der E6 zu bleiben. So fahre ich nach Rognan und lerne, dass eine auf der Karte eng am Fjord verlaufende Straße nicht unbedingt eben sein muss. Parallel zur Straße befindet sich die Nordlandbahn, deren letzter Abschnitt nach Bodø unter schwierigen topografischen Bedingungen erst 1962 fertig gestellt wurde.

Mittlerweile ist es recht warm und sonnig und - bis auf ein paar wenige Ausnahmen - bleib es bis Südnorwegen auch so. Die Straße hat eine kaum spürbare Steigung und ich bin erstaunt, als ich kurz vor dem Erreichen des Polarkreises ein Höhenangabe von 570 m.ü.N. finde. Morgens um 5 Uhr treffe ich am Polarkreiscenter ein. Im Gegensatz zur E45 in Schweden, die ich letztes Jahr fuhr, wird hier um den Polarkreis ein riesiger Touri-Rummel gemacht. Dabei bin ich mir sicher, dass bestimmt die Mehrheit der Besucher gar nicht weiß, was der Polarkreis eigentlich ist. Auch, dass er nicht fix, sondern periodischen Bewegungen von mehreren Kilometern über die Jahrhunderte ausgesetzt ist, spielt bei der Vermarktung anscheinend keine Rolle (Ursache ist die sogen.
Nutation).

Auf dem Besucherparklatz stehen gut 40 Wohnmobile, deren Bewohner aber noch schlafen. Ich mache noch schnell ein Touri-Bild von mir am Polarkreis und genieße die Abfahrt nach Mo i Rana. Dieser Abschnitt über das Saltfjell hat mir landschaftlich sehr gut gefallen. Man muss die E6 allerdings sehr früh oder nachts fahren. Ein entgegenkommendes Radlerpärchen aus Berlin ist tagsüber geradelt und sah ziemlich gestresst aus.
Ärgere keine TrolleIn Mo i Rana - einer wenig bezaubernden Industriestadt - versuchte ich verzweifelt eine Kneipe mit Live-Übertragung des Fußballfinales zu finden. Das einzige in Frage kommende Objekt hatte aber noch geschlossen und sollte auch schon um 21 Uhr wieder schließen. Von außen war kein Fernsehergerät zu erkennen und so verließ ich die 25.000-Einwohnerstadt mit ihrer bescheidenen Kneipenkultur und fuhr zum nächsten Campingplatz. Dort gab es leider kein Gemeinschaftsraum mit Fernsehgerät und der Besitzer sah bald ein, dass er mir keine 900-Kronen-Luxushütte wegen eines Fußballspiels andrehen kann (in Norwegen gibt es überall kleine Hütten mit unterschiedlichen Ausstattungen zu mieten). Er war aber sehr nett, indem er sich bei der Konkurrenz telefonisch erkundigte und mich auf den Campingplatz Korgen verwies. Unterwegs knackte plötzlich meine Hinterradnabe und mangels Konusschlüssel konnte ich nur von Außen etwas neues Fett auftragen. Als das erledigt war, gab es auch noch ein Gewitter und es goß aus Kübeln, so dass ich mich in einem Tunnel unterstellen musste. Eine Stunde vor Anpfiff erreiche ich Korgen und man teilte mir mit, dass wegen des Gewitters der Strom ausgefallen ist. Kein Fernsehen. Keine warme Dusche. Doch ein Anruf genügte und kurze Zeit später gab's wieder Elektrizität. Also, schnell geduscht und in den gefüllten Gemeinschaftsraum gesetzt. Das Finale gegen Spanien begann. Nach gut 20 Minuten: Stromausfall! Irgendjemand wollte nicht, dass ich heute Fußball schaue. Hatte ich irgendeinen Bergtroll verärgert? Schnell wurde klar, dass der Ausfall nur auf den Campingplatz begrenzt war. So düste ich mit ein paar anderen Deutschen vor zum Motel, wo es eine kleine Bar gab. Drinnen läuft Fußball und eine Art Mitarbeiterbesprechung, doch die Öffnungszeiten sind wie in Mo i Rana. Wir klopfen und betteln beim Besitzer. Ich mit ein paar Brocken Norwegisch um etwas freundlicher zu wirken. Er lässt uns in einen Nebenraum, wo wir noch die zweite Halbzeit sehen. Das einzigeTor von Torres habe ich dagegen verpasst. Egal, Spanien ist verdienter Europameister und Norwegen das denkbar schlechteste Land um Fußball zu schauen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen