„Ja, vi elsker dette landet“ (Ja, wir lieben dieses Land) heißt die erste Zeile der norwegischen Nationalhymne. Und wahre Liebe bedarf manchmal einer ausgiebigen Prüfung. Falls man ein so langgestreckes, zerklüftetes und bizarres Land wie Norwegen mögen sollte und diese Sehnsucht durch eine Radtour von Nord nach Süd stillt, der muss gegen Strapazen aller Art gewappnet sein. Soviel vorweg: Die Liebe hat auch noch nach der Tour Bestand, trotz zahlreicher Flüche und Zähneknirschen. Viel Spaß beim Lesen und Betrachten.
Kirkenes-Kristiansand-Hamburg - 4189 km in 35 Tagen (12.6.08 bis 16.7.08)
Teil 1 (Kirkenes-Narvik) Teil 2 (Narvik-Trondheim) Teil 3 (Trondheim-Hamburg)
Dienstag, 29. Juli 2008
Kirkenes-Kristiansand-Hamburg (Teil 1/3)
„Leberwurst is a liquid!“
„Blöde Idee gewesen“ denke ich und schwitze aus allen Poren. Dabei fahre ich gar keinen Berg hoch, sondern schleppe gerade mein Gepäck zur S-Bahnstation. Weil sich Fluggesellschaften gerne neue Sondergepäckgebühren ausdenken um die steigenden Kerosinpreise zu kompensieren und auch sonst panisch reagieren, wenn man am Flughafen mit Fahrrad auftaucht, habe ich mein Rad komplett zerlegt und als zweites Gepäckstück angemeldet. Nur trage ich auch noch einen riesigen Seesack mit der kompletten Ausrüstung und überlebenswichtigen Dingen wie z.B. zwei Salamis, 1kg Schokolade und 2 Reiseführer. Insgesamt gut 45 kg und ziemlich unhandlich. Am Flughafen erfuhr ich von der neunzigminütigen Verspätung, was mir relativ egal war, da ich sowieso erst am nächsten Vormittag von Oslo weiter nach Kirkenes fliegen sollte. In der Nacht am Osloer Flughafen schaute ich mir mit einem Kapverdier das Vorrundenspiel der EURO '08 Portugal gegen Tschechien auf einem winzigen Fernsehgerät an, das zu seiner Freude 3-1 für Portugal endet. Am nächsten Morgen erneuter Check-In, wo man mir meine Leberwurst im Glas (aus Gewichtsgründen im Handgepäck) mit der Begründung abnahm, Leberwurst sei eine Flüssigkeit. Kurioserweise war das zwischen Hamburg und Oslo kein Problem, aber mir is' wuarscht.In Flieger nach Kirkenes befanden sich auch 3 nette junge Damen aus Bergen, die eine Radtour - meiner sehr ähnlich - von Kirkenes via Nordkap nach Kap Lindesnes
Dostojewski und Atom-U-Boote
Mich hielt es nicht lange in Kirkenes und ich fuhr rasch die stille Straße Nr. 885 Richtung Nyrud. Mit Ausnahme gelegentlicher Grenzmilitärjeeps war ich auf der leicht gewellten Route beinahe alleine unterwegs. Bei Nyrud begann eine holprige, teils sandige Piste, die mich bis kurz vor das Dreiländereck Norwegen-Finnland-Russland brachte. Es folgte noch ein 5 km langer, im Moorwasser versunkener Wanderweg (Bärenspur gesehen) und ich stehe vor einer Steinpyramide und einem halben Dutzend Warn- und Hinweisschildern. Unterwegs gaben mir fünf Grenzsoldaten ein Prospekt und den Hinweis: „Don´t cross the Russian border, please!“. Hier am Dreiländereck treffen nicht nur drei Landesgrenzen aufeinander, sondern auch drei verschiede Zeitzonen. Die Grenze zu Russland ist mit einem Lichtsignal gesichert, ein Umrunden der Steinpyramide ausdrücklich verboten.
Nachdem ich noch kurz die deutschen Hinterlassenschaften aus dem 2. Weltkrieg begutachtet habe, radel ich zurück, passiere nun zum zweiten Mal den Flughafen Kirkenes und stellte erstaunt fest, dass ich schon 370 km auf dem Tacho habe, aber noch keinen Kilometer meiner eigentlichen Tour gefahren bin! So schwing ich mich auf den Sattel, fahre vorbei am reißenden Skoltefossen in Neiden und verlasse die E6 in Tana Bru um der Straße Nr. 98 zu folgen. Dass der Tanafluss ein beliebtes Lachsangelrevier ist, war nicht zu übersehen. Nun steigt die Straße auf gut 370 m.ü.N. ins Ifjordfjell, einer grandios weißgetupften Berglandschaft bei schönstem Sonnenschein. Hinter dem Laksefjord folge ich dem mäandernden Storelv. Die Straße ist nun breit und in riesigen Kurvenradien angelegt. Man fühlt sich wie in Nordamerika. Trotzdem gibt es kaum Verkehr. Abends und in der Nacht fahre ich teilweise stundenlang, ohne einem einzigen Fahrzeug zu begegnen. Ich passiere kurz vor dem Porsangerfjord einen parallel verlaufenden Canyon, den man aber wegen Bewuchs nicht richtig von der Straße aus sehen kann.
Klappe, die zweite
In Lakselv folgt nun ein knapp 400 km langer Abschnitt bis Olderdalen, den ich schon im letzten Jahr bei meiner Nordkaptour fuhr. Macht aber nichts, ich habe ihn nämlich in positiver Erinnerung. Der damalige Rückenwind bis Olderfjord entpuppte sich allerdings als Gegenwind. Das entspricht ganz meiner empirischen Theorie, dass es meistens am Morgen in den Fjord hineinweht und nachmittags aus ihm heraus. So fahre ich eben diesmal mit Gegenwind nach Olderfjord, wo die E69 zum Nordkap abzweigt. Dort traf ich auch einen schwedischen Radler, von dem ich die aktuellsten Fußballergebnisse bekam. Diese sind nämlich in Norwegen nicht einfach zu bekommen. Sie stehen versteckt in der Zeitung oder sind gar nicht zu finden und Kneipen gibt es nur in größeren Orten mit unmöglichen Öffnungszeiten. Für Fußballmuffel der richtige Ort, für mich quälende Ungewissheit.
Kirkenes-Kristiansand-Hamburg (Teil 2/3)
Regen, Sonne, Regen
Hinter Ballangen wird die Landschaft wieder interessanter, nachdem die Straße einige Kilometer relativ unspektakulär am Meer entlangführte. Bis Skarberget radelt man an trolligen Bergen vorbei, die man als typisch norwegisch bezeichnen könnte.
Hier ist die E6, das Rückgrat Norwegens, vom Tysfjord unterbrochen und man muss die Fähre nach Bognes nehmen. Der Verkehr ist immer noch so gering, dass anscheinend nur eine stündliche Fährverbindung ausreicht. An einem Verkehrsschild hängt ein Trockenfisch (norwegisch: Tørrfisk), den wohl eine Möwe hierher geschleppt hat. Er ist so hart wie ein Stück Holz und man könnte ihn als Cricketschläger benutzen.
Das helle Objekt am Morgenhimmel erinnerte mich irgendwie an die Sonne - und es war tatsächlich die Sonne! Allzu viel Vergnügen war mir aber nicht vergönnt und die ersten kurzen Schauer warfen mich zurück in die harte norwegische Wetterrealität. Bei Kråkmo beachtlichen Felsberg bestaunt, der sich auch im Yosemite Nationalpark in Kalifornien hätte befinden können. Es folgen ein paar Tunnel, die für Radfahrer gesperrt sind und man muss auf die alte und kaum befahrene Straße ausweichen, inklusiv einiger hundert zusätzlicher Höhenmeter. Bei Elvkroken treffe ich in aller Frühe wieder auf die E6, um ein halbes Dutzend Tunnel unbeschwert passieren zu können. Ein breites Tal öffnet sich und ich erreiche Fauske. Es ist aber noch zu früh am Morgen für den Einkauf, alle Geschäfte haben noch geschlossen. Eigentlich wollte ich nun westlich und dann die berühmte Küstenstraße RV17 (Kystriksveien) fahren, doch erschreckend viele Kilometer sind noch zu radeln und so entscheide ich mich, allen Unkenrufen zum Trotz, weiterhin auf der E6 zu bleiben. So fahre ich nach Rognan und lerne, dass eine auf der Karte eng am Fjord verlaufende Straße nicht unbedingt eben sein muss. Parallel zur Straße befindet sich die Nordlandbahn, deren letzter Abschnitt nach Bodø unter schwierigen topografischen Bedingungen erst 1962 fertig gestellt wurde.

Mittlerweile ist es recht warm und sonnig und - bis auf ein paar wenige Ausnahmen - bleib es bis Südnorwegen auch so. Die Straße hat eine kaum spürbare Steigung und ich bin erstaunt, als ich kurz vor dem Erreichen des Polarkreises ein Höhenangabe von 570 m.ü.N. finde. Morgens um 5 Uhr treffe ich am Polarkreiscenter ein. Im Gegensatz zur E45 in Schweden, die ich letztes Jahr fuhr, wird hier um den Polarkreis ein riesiger Touri-Rummel gemacht. Dabei bin ich mir sicher, dass bestimmt die Mehrheit der Besucher gar nicht weiß, was der Polarkreis eigentlich ist. Auch, dass er nicht fix, sondern periodischen Bewegungen von mehreren Kilometern über die Jahrhunderte ausgesetzt ist, spielt bei der Vermarktung anscheinend keine Rolle (Ursache ist die sogen. Nutation).
Auf dem Besucherparklatz stehen gut 40 Wohnmobile, deren Bewohner aber noch schlafen. Ich mache noch schnell ein Touri-Bild von mir am Polarkreis und genieße die Abfahrt nach Mo i Rana. Dieser Abschnitt über das Saltfjell hat mir landschaftlich sehr gut gefallen. Man muss die E6 allerdings sehr früh oder nachts fahren. Ein entgegenkommendes Radlerpärchen aus Berlin ist tagsüber geradelt und sah ziemlich gestresst aus.
Ärgere keine Trolle
In Mo i Rana - einer wenig bezaubernden Industriestadt - versuchte ich verzweifelt eine Kneipe mit Live-Übertragung des Fußballfinales zu finden. Das einzige in Frage kommende Objekt hatte aber noch geschlossen und sollte auch schon um 21 Uhr wieder schließen. Von außen war kein Fernsehergerät zu erkennen und so verließ ich die 25.000-Einwohnerstadt mit ihrer bescheidenen Kneipenkultur und fuhr zum nächsten Campingplatz. Dort gab es leider kein Gemeinschaftsraum mit Fernsehgerät und der Besitzer sah bald ein, dass er mir keine 900-Kronen-Luxushütte wegen eines Fußballspiels andrehen kann (in Norwegen gibt es überall kleine Hütten mit unterschiedlichen Ausstattungen zu mieten). Er war aber sehr nett, indem er sich bei der Konkurrenz telefonisch erkundigte und mich auf den Campingplatz Korgen verwies. Unterwegs knackte plötzlich meine Hinterradnabe und mangels Konusschlüssel konnte ich nur von Außen etwas neues Fett auftragen. Als das erledigt war, gab es auch noch ein Gewitter und es goß aus Kübeln, so dass ich mich in einem Tunnel unterstellen musste. Eine Stunde vor Anpfiff erreiche ich Korgen und man teilte mir mit, dass wegen des Gewitters der Strom ausgefallen ist. Kein Fernsehen. Keine warme Dusche. Doch ein Anruf genügte und kurze Zeit später gab's wieder Elektrizität. Also, schnell geduscht und in den gefüllten Gemeinschaftsraum gesetzt. Das Finale gegen Spanien begann. Nach gut 20 Minuten: Stromausfall! Irgendjemand wollte nicht, dass ich heute Fußball schaue. Hatte ich irgendeinen Bergtroll verärgert? Schnell wurde klar, dass der Ausfall nur auf den Campingplatz begrenzt war. So düste ich mit ein paar anderen Deutschen vor zum Motel, wo es eine kleine Bar gab. Drinnen läuft Fußball und eine Art Mitarbeiterbesprechung, doch die Öffnungszeiten sind wie in Mo i Rana. Wir klopfen und betteln beim Besitzer. Ich mit ein paar Brocken Norwegisch um etwas freundlicher zu wirken. Er lässt uns in einen Nebenraum, wo wir noch die zweite Halbzeit sehen. Das einzigeTor von Torres habe ich dagegen verpasst. Egal, Spanien ist verdienter Europameister und Norwegen das denkbar schlechteste Land um Fußball zu schauen.
Hinter Ballangen wird die Landschaft wieder interessanter, nachdem die Straße einige Kilometer relativ unspektakulär am Meer entlangführte. Bis Skarberget radelt man an trolligen Bergen vorbei, die man als typisch norwegisch bezeichnen könnte.
Das helle Objekt am Morgenhimmel erinnerte mich irgendwie an die Sonne - und es war tatsächlich die Sonne! Allzu viel Vergnügen war mir aber nicht vergönnt und die ersten kurzen Schauer warfen mich zurück in die harte norwegische Wetterrealität. Bei Kråkmo beachtlichen Felsberg bestaunt, der sich auch im Yosemite Nationalpark in Kalifornien hätte befinden können. Es folgen ein paar Tunnel, die für Radfahrer gesperrt sind und man muss auf die alte und kaum befahrene Straße ausweichen, inklusiv einiger hundert zusätzlicher Höhenmeter. Bei Elvkroken treffe ich in aller Frühe wieder auf die E6, um ein halbes Dutzend Tunnel unbeschwert passieren zu können. Ein breites Tal öffnet sich und ich erreiche Fauske. Es ist aber noch zu früh am Morgen für den Einkauf, alle Geschäfte haben noch geschlossen. Eigentlich wollte ich nun westlich und dann die berühmte Küstenstraße RV17 (Kystriksveien) fahren, doch erschreckend viele Kilometer sind noch zu radeln und so entscheide ich mich, allen Unkenrufen zum Trotz, weiterhin auf der E6 zu bleiben. So fahre ich nach Rognan und lerne, dass eine auf der Karte eng am Fjord verlaufende Straße nicht unbedingt eben sein muss. Parallel zur Straße befindet sich die Nordlandbahn, deren letzter Abschnitt nach Bodø unter schwierigen topografischen Bedingungen erst 1962 fertig gestellt wurde.
Mittlerweile ist es recht warm und sonnig und - bis auf ein paar wenige Ausnahmen - bleib es bis Südnorwegen auch so. Die Straße hat eine kaum spürbare Steigung und ich bin erstaunt, als ich kurz vor dem Erreichen des Polarkreises ein Höhenangabe von 570 m.ü.N. finde. Morgens um 5 Uhr treffe ich am Polarkreiscenter ein. Im Gegensatz zur E45 in Schweden, die ich letztes Jahr fuhr, wird hier um den Polarkreis ein riesiger Touri-Rummel gemacht. Dabei bin ich mir sicher, dass bestimmt die Mehrheit der Besucher gar nicht weiß, was der Polarkreis eigentlich ist. Auch, dass er nicht fix, sondern periodischen Bewegungen von mehreren Kilometern über die Jahrhunderte ausgesetzt ist, spielt bei der Vermarktung anscheinend keine Rolle (Ursache ist die sogen. Nutation).
Ärgere keine Trolle
In Mo i Rana - einer wenig bezaubernden Industriestadt - versuchte ich verzweifelt eine Kneipe mit Live-Übertragung des Fußballfinales zu finden. Das einzige in Frage kommende Objekt hatte aber noch geschlossen und sollte auch schon um 21 Uhr wieder schließen. Von außen war kein Fernsehergerät zu erkennen und so verließ ich die 25.000-Einwohnerstadt mit ihrer bescheidenen Kneipenkultur und fuhr zum nächsten Campingplatz. Dort gab es leider kein Gemeinschaftsraum mit Fernsehgerät und der Besitzer sah bald ein, dass er mir keine 900-Kronen-Luxushütte wegen eines Fußballspiels andrehen kann (in Norwegen gibt es überall kleine Hütten mit unterschiedlichen Ausstattungen zu mieten). Er war aber sehr nett, indem er sich bei der Konkurrenz telefonisch erkundigte und mich auf den Campingplatz Korgen verwies. Unterwegs knackte plötzlich meine Hinterradnabe und mangels Konusschlüssel konnte ich nur von Außen etwas neues Fett auftragen. Als das erledigt war, gab es auch noch ein Gewitter und es goß aus Kübeln, so dass ich mich in einem Tunnel unterstellen musste. Eine Stunde vor Anpfiff erreiche ich Korgen und man teilte mir mit, dass wegen des Gewitters der Strom ausgefallen ist. Kein Fernsehen. Keine warme Dusche. Doch ein Anruf genügte und kurze Zeit später gab's wieder Elektrizität. Also, schnell geduscht und in den gefüllten Gemeinschaftsraum gesetzt. Das Finale gegen Spanien begann. Nach gut 20 Minuten: Stromausfall! Irgendjemand wollte nicht, dass ich heute Fußball schaue. Hatte ich irgendeinen Bergtroll verärgert? Schnell wurde klar, dass der Ausfall nur auf den Campingplatz begrenzt war. So düste ich mit ein paar anderen Deutschen vor zum Motel, wo es eine kleine Bar gab. Drinnen läuft Fußball und eine Art Mitarbeiterbesprechung, doch die Öffnungszeiten sind wie in Mo i Rana. Wir klopfen und betteln beim Besitzer. Ich mit ein paar Brocken Norwegisch um etwas freundlicher zu wirken. Er lässt uns in einen Nebenraum, wo wir noch die zweite Halbzeit sehen. Das einzigeTor von Torres habe ich dagegen verpasst. Egal, Spanien ist verdienter Europameister und Norwegen das denkbar schlechteste Land um Fußball zu schauen.
Kirkenes-Kristiansand-Hamburg (Teil 3/3)
Eisorgie
Aus Trondheim herauszufinden war einfacher als ich dachte und so erreiche ich Melhus, wo ich noch ein paar Kilometer der E6 folge. In der Illusion, den gestrigen Radweg weiter parallel zur stark befahren E6 nehmen zu können, stehe ich am folgenden Morgen spät auf und unternehme zuerst eine kleine Wartungseinheit am Rad. Aber ich musste ab Mittag auf der verkehrsreichen Europastraße weiter gegen Süden radeln. Landschaftlich war es auch nicht sonderlich spektakulär und so war mir klar, dass das heute nur eine Transitetappe wird. Dafür ist das Wetter nach wie vor traumhaft und ich gönne mir zum Abschluss des Tages eine 6er Packung
Eis, die eigenartigerweise genauso viel kostete wie ein einzelnes, was sich die erstaunte Verkäuferin auch nicht erklären kann. Ich setze mich abseits der Straße an einen See, um Erregung öffentlichen Ärgernisses wegen Völlerei zu vermeiden.
Ich breche wieder sehr früh auf und fahre die leichte Steigung ins Dovrefjell. Ein weiterer Vorteil der zeitigen Radlerei (neben des geringeren Verkehrs) ist die Tierwelt, die man in aller Stille gut beobachten kann. So habe ich schon mehrmals Elche gesehen. Nie gelang es mir aber ein vernünftiges Foto von ihnen zu machen, denn man bemerkt sie erst, wenn sie ins Unterholz flüchten. Die Landschaft wird wieder interessanter. Immer wieder faszinieren mich die schnell wechselnden Vegetationszonen, wenn man bergauf fährt. Zuerst dichter Misch- oder Nadelwald, dann immer kleiner und krüppeliger werdende Fjellbirken in einer Moorlandschaft bis hin zur Fjellebene, diese mit Moosen, Flechten und kleinen Sträuchern in verschiedensten Farben durchsetze Steinlandschaft. Und das alles auf relativ wenigen Höhenmetern.
Hauptsache: Dach über dem Kopf
Die Abfahrt nach Dombås will gar nicht enden und ich lege einen Fotostopp ein, um die heißgebremsten Felgen abzukühlen. Zuerst auf einer Nebenstraße, dann im Sausetempo dank Rückenwind geht's die letzten Kilometer auf der E6 durch das mal weite, mal enge Gudbrandsdal. In Nord-Sel biege ich auf eine namenlose Straße nach Vågåmo ein. Ein Schild warnt mich vor 16%iger Steigung. Ich entscheide mich die nördlich des Vågåvatn gelegene Nebenstraße zu nehmen, die teilweise eine Piste ist. Bald ist Lom erreicht, welches besonders wegen der Stabkirche bekannt ist. Stabkirchen zeichnet eine senkrechte Bauweise der Holzbalken aus und sind das architektonische Markenzeichen Norwegens. Sie haben meistens ein respektables Alter für eine Holzkirche und stammen teilweise aus der Zeit der Christianisierung der Wikinger (um 1000-1200 n. Chr.). Die Holzschnitzereien enthalten fast nur heidnische Symbole und Runen, ein Kompromiss, um die sich widersträubende Landbevölkerung vom Christentum zu überzeugen. In Lom selbst waren mir aber zu viele Touristen und so verließ ich den Ort auf dem Sognefjellveien, den ich schon vor fünf Jahren in umgekehrter Richtung passiert habe. Die Sognefjellstraße ist die höchste Passstraße Nordeuropas und führt durch eine winterliche Berglandschaft. Leider wurde das Wetter immer schlechter. Extrem böiger Seitenwind erschwert das Radeln. Vor mir drückt es ein Fahrzeug mit Wohnmobilanhänger fast von der Straße.
Dunkle Sturmwolken kommen auf und ich kann mich gerade noch in ein Behinderten-WC retten. Peitschender Regen prasselt auf's Dach und das bleibt auch die nächsten Stunden so. An Zeltaufbauen ist nicht zu denken und ich finde mich damit ab, die Nacht in meinem neuen Zuhause zu verbringen, in dem es aber sehr sauber und geräumig ist. Am nächsten Morgen ist es nicht mehr ganz so stürmig und ich biege in Turtagrø auf eine Privatstraße nach Øvre Årdal ab. Auf den Bergkuppen liegt sogar etwas Neuschnee. Es geht mehrmals hoch und runter, bevor ich kurz vor der kilometerlangen Abfahrt am Bezahlhäuschen vorbeikomme (als Radfahrer aber durchgewunken werde). Diese Landschaft ist wirklich gigantisch, allerdings ist sie von vielen Hochspannungsleitungen durchschnitten. Den Grund dafür sehe ich in Øvre Årdal, wo der halbe Ort aus einem Aluminiumwerk von Norsk Hydro besteht. Billiger Strom (zu 99% aus Wasserkraft!) hat viel energieintensive Schwerindustrie nach Norwegen gelockt und beschert dem Land den höchsten Pro-Kopf-Stromverbrauch der Welt. Fast jedes Haus wird mit Strom geheizt und die Beleuchtung in öffentlichen Gebäuden hat meistens gar keinen Lichtschalter.
Hinter Øvre Årdal geht's an einer Felswand auch gleich wieder 1117 Höhenmeter hoch, nachdem ich soeben etwa selbe Höhe hinabgefahren bin. Das Ganze wird durch heftigen Gegenwind erschwert. Die geschliffenen Spuren der Eiszeitgletscher sind hier im Moadal sehr gut zu sehen, aber das Wetter ist nicht so toll und ich bin froh, auf der E16 wieder abwärts fahren zu können. In Borgund schaue ich mir Norwegens besterhaltene Stabkirche an, denn viele Stabkirchen sind zwar alt, wurden aber immer wieder umgebaut. Von den über 1000 Stabkirchen sind nur 28 erhalten. Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurden sie oft einfach abgerissen um eine neue Kirche zu bauen, ohne ein Bewusstsein für deren Einmaligkeit zu entwickeln. Eine Untersuchung der Jahresringe hat ergeben, dass das Holz zum Kirchenbau der Borgundkirche im Winter 1180/81 gefällt wurde. Im Inneren ist sie winzig und stockdunkel. Ich folge dem Lærdalselva, der gurgelnd durch eine enge Felsschlucht stürzt. Kurz vor Lærdal weitet sich das Tal und Obstanbau beherrscht das Landschaftsbild, eingerahmt von über 1000 m hohen Felsbergen. Kurz hinter dem Lærdalstunnel (mit 24,5 km der längste Straßentunnel der Welt) durchstreife ich das hübsche und gleichnamige Städtchen. Ich fahre die alte Straße Snøvegen (Schneeweg), die nicht ohne Grund so heißt, den vor dem Tunnelbau waren Aurland und Flåm im Winter nur per dreistündiger Fährfahrt erreichbar. Die enge Straße windet sich von 0 auf 1309 m.ü.N. das Horndal hoch. Riesige Eis- und Schneebrocken schwimmen hier oben in den Seen. Immer wieder grüßender Gegenverkehr, ein deutscher Wohnmobilist läd mich sogar zum Kaffe ein. Bei der Abfahrt pausiere ich an einem 640 m über den Aurlandsfjord gelegenen Aussichtssteg. Winzige Kreuzfahrtschiffe kontrastieren die gigantische Bergkulisse. Nach ewiger Serpentinenabfahrt erreiche ich Aurland und dann Flåm.
Aus Trondheim herauszufinden war einfacher als ich dachte und so erreiche ich Melhus, wo ich noch ein paar Kilometer der E6 folge. In der Illusion, den gestrigen Radweg weiter parallel zur stark befahren E6 nehmen zu können, stehe ich am folgenden Morgen spät auf und unternehme zuerst eine kleine Wartungseinheit am Rad. Aber ich musste ab Mittag auf der verkehrsreichen Europastraße weiter gegen Süden radeln. Landschaftlich war es auch nicht sonderlich spektakulär und so war mir klar, dass das heute nur eine Transitetappe wird. Dafür ist das Wetter nach wie vor traumhaft und ich gönne mir zum Abschluss des Tages eine 6er Packung
Ich breche wieder sehr früh auf und fahre die leichte Steigung ins Dovrefjell. Ein weiterer Vorteil der zeitigen Radlerei (neben des geringeren Verkehrs) ist die Tierwelt, die man in aller Stille gut beobachten kann. So habe ich schon mehrmals Elche gesehen. Nie gelang es mir aber ein vernünftiges Foto von ihnen zu machen, denn man bemerkt sie erst, wenn sie ins Unterholz flüchten. Die Landschaft wird wieder interessanter. Immer wieder faszinieren mich die schnell wechselnden Vegetationszonen, wenn man bergauf fährt. Zuerst dichter Misch- oder Nadelwald, dann immer kleiner und krüppeliger werdende Fjellbirken in einer Moorlandschaft bis hin zur Fjellebene, diese mit Moosen, Flechten und kleinen Sträuchern in verschiedensten Farben durchsetze Steinlandschaft. Und das alles auf relativ wenigen Höhenmetern.
Hauptsache: Dach über dem Kopf
Die Abfahrt nach Dombås will gar nicht enden und ich lege einen Fotostopp ein, um die heißgebremsten Felgen abzukühlen. Zuerst auf einer Nebenstraße, dann im Sausetempo dank Rückenwind geht's die letzten Kilometer auf der E6 durch das mal weite, mal enge Gudbrandsdal. In Nord-Sel biege ich auf eine namenlose Straße nach Vågåmo ein. Ein Schild warnt mich vor 16%iger Steigung. Ich entscheide mich die nördlich des Vågåvatn gelegene Nebenstraße zu nehmen, die teilweise eine Piste ist. Bald ist Lom erreicht, welches besonders wegen der Stabkirche bekannt ist. Stabkirchen zeichnet eine senkrechte Bauweise der Holzbalken aus und sind das architektonische Markenzeichen Norwegens. Sie haben meistens ein respektables Alter für eine Holzkirche und stammen teilweise aus der Zeit der Christianisierung der Wikinger (um 1000-1200 n. Chr.). Die Holzschnitzereien enthalten fast nur heidnische Symbole und Runen, ein Kompromiss, um die sich widersträubende Landbevölkerung vom Christentum zu überzeugen. In Lom selbst waren mir aber zu viele Touristen und so verließ ich den Ort auf dem Sognefjellveien, den ich schon vor fünf Jahren in umgekehrter Richtung passiert habe. Die Sognefjellstraße ist die höchste Passstraße Nordeuropas und führt durch eine winterliche Berglandschaft. Leider wurde das Wetter immer schlechter. Extrem böiger Seitenwind erschwert das Radeln. Vor mir drückt es ein Fahrzeug mit Wohnmobilanhänger fast von der Straße.
Hinter Øvre Årdal geht's an einer Felswand auch gleich wieder 1117 Höhenmeter hoch, nachdem ich soeben etwa selbe Höhe hinabgefahren bin. Das Ganze wird durch heftigen Gegenwind erschwert. Die geschliffenen Spuren der Eiszeitgletscher sind hier im Moadal sehr gut zu sehen, aber das Wetter ist nicht so toll und ich bin froh, auf der E16 wieder abwärts fahren zu können. In Borgund schaue ich mir Norwegens besterhaltene Stabkirche an, denn viele Stabkirchen sind zwar alt, wurden aber immer wieder umgebaut. Von den über 1000 Stabkirchen sind nur 28 erhalten. Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurden sie oft einfach abgerissen um eine neue Kirche zu bauen, ohne ein Bewusstsein für deren Einmaligkeit zu entwickeln. Eine Untersuchung der Jahresringe hat ergeben, dass das Holz zum Kirchenbau der Borgundkirche im Winter 1180/81 gefällt wurde. Im Inneren ist sie winzig und stockdunkel. Ich folge dem Lærdalselva, der gurgelnd durch eine enge Felsschlucht stürzt. Kurz vor Lærdal weitet sich das Tal und Obstanbau beherrscht das Landschaftsbild, eingerahmt von über 1000 m hohen Felsbergen. Kurz hinter dem Lærdalstunnel (mit 24,5 km der längste Straßentunnel der Welt) durchstreife ich das hübsche und gleichnamige Städtchen. Ich fahre die alte Straße Snøvegen (Schneeweg), die nicht ohne Grund so heißt, den vor dem Tunnelbau waren Aurland und Flåm im Winter nur per dreistündiger Fährfahrt erreichbar. Die enge Straße windet sich von 0 auf 1309 m.ü.N. das Horndal hoch. Riesige Eis- und Schneebrocken schwimmen hier oben in den Seen. Immer wieder grüßender Gegenverkehr, ein deutscher Wohnmobilist läd mich sogar zum Kaffe ein. Bei der Abfahrt pausiere ich an einem 640 m über den Aurlandsfjord gelegenen Aussichtssteg. Winzige Kreuzfahrtschiffe kontrastieren die gigantische Bergkulisse. Nach ewiger Serpentinenabfahrt erreiche ich Aurland und dann Flåm.
Mittwoch, 23. Juli 2008
Übersicht aller Radtouren in Europa

Zum Bericht: Kirkenes-Kristiansand-Hamburg (2008)
Auswahl anderer Touren aus der Zeit analoger Fotografie und schlechter Scanner gibt es HIER.
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